George Forster[1]

 Neuholland, und die brittische Colonie in Botany-Bay. 

 

Quidam magnus videlicet vir et sapiens cognovit, quae materia esset, et quanta ad maximas res opportunitas in animis esset hominum, siquis eam posset elicere et praecipiendo meliorem reddere.[2]

          Wer die Vorzüge des gesitteten Lebens ohne Vorurtheil erwägt, wird nicht in Abrede seyn, daß der Mensch in diesem Zustande erst eigentlich der Natur, die ihn mit Fähigkeiten ausrüstete, ein Genüge zu leisten anfängt, und wahrer Mensch, das ist, ein denkendes Wesen wird, welches mehr im Genusse seines Bewußtseyns und seiner Vorstellungen, als in der Befriedigung blos sinnlicher Begierden und blinder Triebe glücklich ist. Zwar hat die Natur in ihrer Erdeschöpfung, soweit wir sie noch kennen, kein unglückliches Thier gebildet. Alle genießen froh die Lebenskraft, die sich in ihnen auf unzählig mannigfaltige Weise äußert, die so unablässig, so geschickt ohne Lehrmeister, ihre Individualität zu behaupten, und in ihrer Art des Seyns zu beharren strebt. Empfänglichkeit und Behagen stehen in ewiger Harmonie; und Lebensgenuß wohnt eben sowohl im Wurm, der zehnfach zerschnitten in jedem Stücke sich ergänzt und in zehn Einheiten abgesondertes Daseyn empfindet, wie im Menschen, der statt jener plastischen Reproductionskraft die zarteren Sinne zu Hütern seines Wesens erhielt. Allein die Rangordnung der Geschöpfe wird darum nicht minder durch das Maaß der Empfänglichkeit bestimmt. Wer möchte wohl nur Eines Sinnes entrathen, nur Eine Anlage preisgeben, um auf jene vegetirende Fortdauer Anspruch machen zu dürfen? Jeder, eh'er Wurm werden sollte, würde lieber als Insect umherschwirren, und so weiter sich dem Zustande nähern wollen, wo er mehreren und mannigfaltigeren Eindrücken offen bliebe. Sich entrüsten über den Mängeln der bürgerlichen Gesellschaft, und ihr den Stand der Wildheit vorziehen, hießt demnach vergessen, daß der verfeinerte Mensch, so gut wie der Wilde, im Genusse seines Daseyns lebt, und daß der Unterschied nur in der Art des Genusses besteht, der bey jenem auf Fertigkeiten beruht, wozu in diesem die Anlage schläft. Doch der Grübeley wird kein Irrthum leichter, als das unterscheiden, wo nichts abzusondern ist; und so erdichtet sie sich einen Widerspruch zwischen Natur und Cultur, der höchstens in einem willkührlichen Gebrauch der Worte liegt. Die Fähigkeit zum Denken, mit allen ihren Folgen, ist unserer Natur so wesentlich inwohnend, als der Trieb zur Nahrung und Fortpflanzung, wenn sie gleich nicht in jedem Einzelnen nach Möglichkeit entwickelt wird. Was der Gattung zukömmt, entwickelt sich nicht nothwendig in jedem Einzelnen. Die Blattläuse legen Eyer im Herbst; diese überwintern, und aus ihnen geht eine Reihe lebendiggebärender Generationen, so lange der Sommer währt, hervor. Wer übrigens die Thiergeschichte kennt, wird wissen, daß, wo eine Mehrheit der Anlagen stattfindet, eine oft die andere unterdrückt oder in engere Schranken zurückweiset. Die Vernunft streitet nicht mehr wider die übrigen Anlagen im Menschen, als in den Thieren der Instinct.  

         Wo demnach Fähigkeiten vorhanden sind, da wird Vollkommenheit durch ihre Entwickelung erreicht. Fortschritt der Cultur ist also Interesse der Menschheit, und Bevölkerung der ganzen Erde mit gesitteten Bewohnern das große Ziel, welches wir zunächst, als unseres Erringens werth, vor uns sehen. Und wie merkwürdig ist nicht die Schnelligkeit, womit alles diesem Ziel entgegeneilt! Zu fern zurück ins graue Alterthum verliert sich der Anfang der Cultur in unserm Welttheil, als daß wir mehr als muthmaßen oder glauben könnten, was ihr den ersten Stoß verlieh. Wie von Epoche zu Epoche ihr Fortschritt durch Verkettung der Begebenheiten vorbereitet ward, nur dies lehrt uns die Geschichte. Allein in späteren Jahrhunderten wird sichtbarlich schneller ihr Gang. Auch in jeder Hälfte von America entsponnen sich die ersten Fäden der Sittlichkeit zu einem zarten Gewebe der Cultur; nur wirkte dieser Bildungstrieb zu schwach, zu langsam für das Bedürfnis der Zeiten; und groß, vielleicht unüberschreitbar, blieb die Kluft zwischen Quippos und Buchstabenschrift. Columbus kam; und die Cultur that Riesenschritte in beyden Welten. Schöner grünte sie nirgends, als in dem neuen mit Europa wetteifernden Freystaat.

 Die Erscheinung eines neuen Entdeckers, des unsterblichen Cook, bezeichnet in unsern Tagen eine zweyte ähnliche Epoche. Seine drey kühnen Reisen haben das Feld geographischer Kenntnisse von Pol zu Pol erweitert, und keine bedeutende Insel liegt noch unerkannt im Ocean. Die Folgen des mächtigen Schwunges, den Ein großer Mann seinem Jahrhundert zu geben wußte, fangen bereits an sich zu offenbaren. Schon knüpft der Handel eine Gemeinschaft zwischen China und der neuentdeckten Nordwestküste von America; und schon macht Grosbritannien Anstalt, einen großen neuen Welttheil durch Colonien anzubauen.

          Neuholland, eine Insel von ungeheurem Umfange, oder wenn man will, ein drittes festes Land, ist der künftige Wohnort einer neuen bürgerlichen Gesellschaft, die, so unbedeutend ihr Anfang zu seyn scheint, gleichwohl in kurzer Zeit sehr wichtig zu werden verspricht. Wir wollen nicht die Tausende von Beyspielen aufzählen, wodurch diese Vermuthung, auf den Gang der Natur und das Zeugniß der Geschichte gegrundet, den höchsten Grad der Wahrscheinlichkeit erhält. Es ist hinreichend für unsern Zweck, daß aus ähnlichen geringen, und fast unmerkbaren Entstehungspunkten in weniger als hundert und funfzig Jahren ein großer Staat vor unsern Augen entstanden, der trotz Englands äußerster Anstrengung die Unabhängigkeit errungen hat. Zwar sind die ersten Ansiedler von Neuholland ein verworfener Haufe, den in seinem Vaterlande weder das Recht, noch selbst die Furcht vor Strafen im Zügel hielt. Allein zu geschweigen, daß der Dieb gemeiniglich das mitleidenswerthe Opfer einer zwecklosen Erziehung, eines todten Buchstabengesetzes und einer mangelhaften Staatspfiege ist; so beweiset ja die alte und die neuere Geschichte, daß er aufhört ein Feind der Gesellschaft zu seyn, sobald er wieder in die vollen Rechte der Menschheit tritt, ein Landeigenthümer und Landbauer wird. Jene vermeynte Nothwendigkeit, auf Kosten des reicheren Bürgers leben zu müssen, die Triebfeder zum Stehlen, die als Grundsatz dem Staate gefährlich werden kann, ist oftmals nur die Schule, wo die Kräfte des Menschen sich schnell und außerordentlich entwickeln. Gewaltsamer Druck, wie im andern Extrem die gänzliche Ungebundenheit des Wilden, erstickt die Thätigkeit des Körpers und des Geistes; ein gewisser Grad des Zwangs, ein gelinderer Druck ruft sie hervor und reift sie für den künftigen Gesetzgeber. Die Räuberbande auf den sieben Hügeln ward durch Numas Vorschriften das erhabenste und bewundernswürdigste Volk der Erde. Ein roher Hirtenstamm, der Jahrhunderte lang das ägyptische Joch getragen, und, wie jeder Sklave, den Adel der Menschheit, Sinn für Tugend und Scheu des Lasters, darüber eingebüßt hatte, ward durch seinen großen Heerführer, trotz jener Halsstarrigkeit, worüber er oft in Wuth gerieth, von einem Auswurf der Erde zum erwählten Volke gebildet. Die Nachkommenschaft der ersten Delinquenten, die Jacob der Erste nach Virginien schickte, hat Rang und Stimme unter den Nationen, und wird durch Franklin und Washington die freye Bundsgenossin der mächtigsten europäischen Staaten.  Täuscht die Zukunft dennoch unsere Erwartung, und wird die Colonie auf Neuholland zum Meteor, das nur einen Augenblick glänzt und verschwindet, so hatte uns wenigstens alles Vorhergegangene das Gegentheil zu ahnden berechtigt. Der Leser, der sich in die Ereignisse der Menschengattung überhaupt und namentlich seines Zeitalters verflochten fühlt, wird der möglichen und wahrscheinlichen Wichtigkeit dieser neuen Anstalt leicht ein Interesse abgewinnen; er wird es uns vielleicht Dank wissen, daß wir ihn vorläufig auf den Schauplatz führen, und ihm mit wenigen Umrissen die ungestörte Natur jenes Landes schildern, welches nur noch seines Anbauers rege Kräfte erwartet, um dereinst in der Geschichte zu glänzen. Dampier und Cook sollen bey allem, was wir davon erzählen, unsere Gewährsmänner seyn.

          Neuholland, soweit sich sein Umfang für jezt auf der Charte bestimmen läßt, enthält einen Raum von mehr als 162,000 geographischen Quadratmeilen, der dem Flächeninhalt des festen Landes von Europa beynah völlig gleich kommt. Das feste Land von Europa enthält nach den neuesten Schätzungen und Berechnungen etwa 163,000 Quadratmeilen, mit den dazu gehörigen Inseln aber 11000 Quadratmeilen mehr. Neuholland bildet eine große beynah viereckte Masse, die sich zwischen dem 20sten und 35sten Grade südlicher Breite durch zweyundvierzig Grade der Länge hindurch erstreckt, und in der südöstlichen Gegend einen schmalen Zipfel nach Süden bis zum 43sten Grad der Breite von sich ausschickt. Auch nordwärts hat es zween beträchtliche Vorsprünge, bis auf 11 Grade gegen den Äquator hinab, welche den tiefen Meerbusen von Carpentaria begränzen. Das indische Meer bespült die westlichen, das stille Meer die östlichen Gestade. Gegen Norden trennt eine Meerenge Neuholland von den Neuguineischen Inseln; und nordwestwärts liegt in nicht gar großer Entfernung die Reihe der Inseln, welche die südliche Gränze des großen indischen Archipels bezeichnet, von Timor an bis auf das reiche Java, den Mittelpunkt des holländischen Indiens. Fast in gleicher Nähe von der südlichen Spitze ostwärts, ragen die gebirgigten Inseln von Neuseeland aus dem großen Südmeer hervor. Die westlichen Gegenden von Neuholland würden zuerst im Jahr 1616 durch holländische Ostindienfahrer entdeckt. In den folgenden Jahren schickten die Generalgouverneurs von Batavia Carpentier und van Diemen verschiedene Fahrzeuge aus, welche nach und nach die nördliche und westliche Küste, und zuletzt im Jahr 1642 die Südspitze, die van Diemens Namen erhielt, auskundschafteten. Die Entdeckung und genaue Untersuchung der ganzen östlichen Seite war dem berühmten Cook aufbehalten, der sie im Jahr 1779 auf seiner ersten Entdeckungsreise beschiffte, und ihr den Namen des neuen Süd‑Wallis ertheilte. Hier kennen wir durch seinen eisernen Fleiß verschiedene brauchbare Seehäven, und mehrere große Buchten und Öffnungen, wo sich noch manche sichere Rheede vermuthen läßt. Jene früheren holländischen Entdeckungen haben außer dem bloßen Umriß des Landes far die Schiffahrt und die Geographie nichts bestimmtes geliefert. Man weiß nur im Allgemeinen, daß das ganze Neuholland gegen Abend hin, eine äußerst niedrige durch Corallfelsen und Untiefen gefährliche Küste bildet, der sich so leicht kein Schiff ohne besondern Beruf zu nähern wagt. Dampier, ein großer Seemann des vorigen Jahrhunderts, entdeckte hier einen Hafen, vermuthlich weil er Entschlossenheit mit Erfahrung in seiner Kunst verband, und dem Lande näher kommen durfte, als ein furchtsamer und weniger geübter Schiffer. Ein Stück von Neuholland, welches den Busen nach Südwesten hin umzieht ist annoch unentdeckt geblieben, wiewol es auch schwerlich die wichtigste Gegend enthält.

         Aus den angegebenen Polhöhen sieht man bereits, daß dieses große Land unter einem schönen Himmelsstriche liegt. Die nördlichen Gegenden desselben, welche zwölf Grade innerhalb des Wendekreises so dem scheitelrechten Strahl der Sonne ausgesetzt sind, leiden zuweilen von übermäßiger Hitze; aber jenseits des Steinbockskreises, bis zum 43sten Grade südlicher Breite, ist das Clima gemäßigt, und etwa mit dem Vorgebirge der guten Hofflung zu vergleichen. Sogar die äußerste Spitze von van Diemens Land, welche neun volle Grade südlicher als das afrikanische Vorgebirge liegt, scheint in gleichem Maaße begünstigt zu seyn, vermuthlich weil hier kein Schneegebirge, wie nordwärts vom Cap, die Atmosphäre kühlt, und den Winden eine durchdringende Schärfe glebt. Das Innere dieses großen Landes kann demungeachtet von ansehnlichen Gebirgsrücken durchschnitten seyn. Denn höchstens erstreckt sich der Gesichtskreis vom Meerufer bis auf dreyßig Meilen landeinwärts, und wie ungeheuer ist nicht der Strich, der jenseits noch unentdeckt und unerkannt übrig bleibt? Die Ostküste, welche Cook beynahe fünfhundert Meilen lang befand, ist im Ganzen höher als die westliche, und zeigt überall kleine Anhöhen, Hügel und Berge von mittler Höhe. Hie und dort, wo der große Weltumsegler mit seinen Reisegefährten landete, ist man ein paar, höchstens drey bis vier Meilen weit von der Küste in das Innere des Landes gewandert; alles übrige bleibt unerforscht, bis die Bedürfnisse der neuen Colonisten eine sorgfältigere Untersuchung nothwendig machen werden. Allein auch schon die bloße Kenntniß der Küste begünstigt die Vermuthung, daß die Natturgeschichte dereinst aus jenem neuen Welttheil einen großen Zuwachs zu gewärtigen hat.

         Noch hat kein Europäer Neuholland als Mineraloge betreten. Cooks Begleiter schweigen von den Producten des Steinreichs, und scheinen über den Reitzen der dortigen Flora vergessen zu haben, daß auch der Boden, über den sie hineilten, die Blicke des Kenners verdiente. Der Wundarzt Anderson, der van Diemens Land Mit Cook im Jahr 1777 besuchte, fand dort einen feinkörnigen weißen Sandstein, ein sandiges Erdreich, mit leichter gelblicher Pflanzenerde, und röthlichem Thon in Strecken abwechselnd. Eine Spur von wichtigeren unterirdischen Reichthümern scheint indessen die Magnetnadel anzudeuten, die an mehreren Stellen der Küste zwischen dem 22sten und 19ten Grad der Breite, p1ötzlich große Abweichungen zeigte, oder gar nicht recht traversiren wollte, mithin den metallischen Gehalt der dortigen Höhen deutlich zu erkennen gab. Ein anderer Umstand, der zu wahrscheinlichen Vermuthungen über die Beschaffenheit der Gebirge von Neuholland Anlaß giebt, ist die Untersuchung der Insel Neucaledonien, welche ostwärts in einer Entfernung von etwa 230 deutschen Meilen zwischen dem 20sten und 23sten Grade südlicher Breite, auf Cooks zweiter Reise entdeckt worden ist. Diese Insel, von der uns Cook zu erzählen pflegte, daß ihr Boden und ihre Producte mit den von ihm besuchten Neuholländischen Gestaden eine auffallende Übereinstimmung zeigten, unterscheidet sich von allen östlicher gelegenen Inselgruppen des stillen Oceans durch ihre Gebirgsart. Der ziemlich hohe Bergrücken, der ihre Mitte durchzieht, besteht aus der uralten Felsgattung, welche den übrigen Steinlagen unserer Erdoberfläsche zum Grunde dient. Wir fanden dort ein großes Quarzgebirge, mit starken Lagern von goldfarbigem und röthlichem Glimmer durchzogen, und an einigen Stellen Blöcke von Serpentinfels mit Hornblende, Talk und Granaten gemischt. Wenn es demnach mit der Ähnlichkeit zwischen Neucaledonien und Neuholland seine Richtigkeit hat, wie viele wichtige Aufschlüsse für die Gebirgslehre kann der Bergmann nicht dereinst aus jener ungeheuren Oberfläsche von 160,000 Quadratmeilen erwarten?

         Nicht eigentlicher Wassermangel, aber gleichwohl Mangel an Flüssen und beträchtlichen Strömen ist ein auszeichnender Zug des neuen Landes, welches darin dem südlichen Gegenden von Afrika nicht unähnlich ist. Allein entschieden ist es bey weitem nicht, daß kein großer Fluß Neuhollands Inneres durchströmt; und wenn es darauf ankömmt, nach Analogie und Wahrscheinlichkeit eine Vermuthung zu wagen, so scheint die niedrige westliche Küste aus mehr als einem Grunde die Gegend zu seyn, wo sich die Mündung eines ansehnlichen Stromes erwarten läßt. Cook, der die Ostseite von Neuholland in der Mitte der dürren Jahrszeit, befuhr, urtheilt dennoch nach, dem damaligen Ansehen des Landes, daß es wohl bewässert seyn müsse. Überall fand er unzählige kleine Bäche, die in der Regenzeit zu starken Flüssen anzuschwellen pflegen; und in den Wäldern giebt es häufige Teiche stehenden süßien Wassers, die vermuthlichen Überreste des während der Sonnennähe fallenden Regens. Die flächere Seeküste ist oft von Buchten und Canälen durchschnitten, und mit Manglesbäumen (Rhizophora) auf weite Strecken bewachsen, zwischen denen der Boden aus Sumpf und Schlamm besteht, und mit unserm Torfmoor einige Ähnlichkeit hat. Hier ist es, wo sich auch zuweilen kleine Seen von salzigem Wasser erzeugen, welches vermuthlich durch unterirrdische Wege aus dem Meere in kleinen Vertiefungen zusammenläuft, oder durch den Sand allmählig durchsintert. Ein solcher Teich mit salzigem Wasser geffült, liegt in der waldigen Ebene, welche die Adventure Bay in van Diemens Land umgiebt.

         Die Höhen entlangs dem Meerstrande deckt ein leichtes sandiges Erdreich, welches wegen seiner großen Dürre dem Pflanzer keinen Ertrag verspricht, und durchgehends zum Anbau untauglich ist. Doch findet man auch Hügel, mit besserem Erdreich bedeckt, wo Wälder mit grasigten Plätzen wechseln; und Ebenen sowohl als Thäler prangen oft mit einem reichen, üppigen Graswuchs, den die Hand des Landmannes leicht zu Wiesen und Auen umschaffen kann. Hier findet man einen Boden von schwarzer Erde, die sich ungestört, seit vielen Jahrtausenden vielleicht, durch die jährlich verwesende Pflanzenschöpfung angehäuft hat. In der dürren Jahrszeit ist nichts leichter, als das trockne Gras, welches Manneslänge erreicht, in Brand zu stecken, und dadurch weit und breit die Gegend einzuäschern. Als Cook eins den elenden Wilden, welche in geringer Anzahl diese Küste bewohnen, eine Schildkröte abgeschlagen hatte, rächten sie sich damit, daß sie die Gegend mit Feuer verheerten, und seine Gezelte anzustecken versuchten. Wer den Steppenbrand in Rußland kennt, wird sich von der furchtbaren Geschwindigkeit, womit das Feuer sich durch jene dürren Gräsereyen fortpflanzt, einen Begriff machen können. Die Länge des Grases ist übrigens das einzige Hinderniß, welches dem Wanderer in diesem Lande beschwerlich fällt; denn überall, die mit Mangelsbäumen durchflochtenen Sümpfe ausgenommen, ist die Waldung offen; die Bäume stehen zerstreut in geraumer Entfernung, und zwischen ihnen bemerkt man wenig, oder gar kein Strauchwerk. Der Reichthum an verschiedenen Gattungen von Bäumen und andern Gewächsen, die in Europa unbekannt sind, ist beträchtlich genug, um den Namen Botany Bay zu rechtfertigen, den Cook einem dortigen Hafen gab. Die Herren Banks und Solander sammelten daselbst in Zeit von wenigen Tagen zwischen drey und vierhundert Arten, die vor ihnen kein Kräuterkundiger beschrieben hat. Zu den gewöhnlichsten Bäumen gehört der Cajoputibaum (Melaleuca Leucadendra) aus dessen Blättern man das gewürzhafte Öl dieses Namens brennt; ferner mehrere mit diesem Baume verwandte Arten, deren Holz zum Theil mit Vortheil für den Schiffbau gebraucht werden kann, und die vortreflichsten Masten abgeben würde, sobald man ein Mittel einzuschlagen wüßte, es leichter zu machen. Einige von diesen Bäumen vergleicht Cook, was das Holz betrift, mit der immer grünen amerikanischen Eiche. Eine andre Art hat ebenfalls eine Ähnlichkeit mit unsern Eichen; ihr schweres, hartes Holz, ist wie Guajak (lignum vitae) von dunkler Farbe, und liefert ein röthliches Gummi, welches dem Drachenblut ähnlich ist. Das schöne Baumgeschlecht, welches der jüngere Linné, nach seinem Erfinder, Banksia genennet hat, prangt hier mit seinen großen gelben Blumen; die Sinnpflanze (Mimosa) erscheint hier in verschiedenen baumartigen Gattungen mit einfachen Blättern, wovon die eine auch in Neucaledonien zu Hause ist; die Kohlpalme (Areca sapida) und zwo andere Palmenarten sicht man häuflig in den Gegenden, die den Meerstrand angränzen; zwo derselben sind dem nördlichen, heißeren Theile des Landes eigen, die dritte findet man auch gegen Süden in Menge, und ihr Kohl, oder eigentlich das Herz, welches den zarten Keim der neuen Blätter und Blüthen enthält, ist von vortreflichem Geschmack. Eine Art schlechte, unschmackhafte Feigen, ein Baum mit einer plattgedrückten Frucht, und noch ein anderer, der purpurfarbene Äpfel trägt, imgleichen ein wilder Pisang, welcher reife Saamen in seinen Früchten enthäIt, eine Pflanze, welche mit der Aronswurzel verwandt ist, zwo Gattungen von Yamswurzeln, eine Art Fasolenbohnen, eine Art Petersilien und Portulak, sind die einzigen zur Noth eßbaren Pflanzen. Doch erfordern auch diese eine Zubereitung; der Apfel, zum Beyspiel, muß einige Tage liegen, ehe er eßbar wird, und die Wurzeln müssen mehreremal abgesotten werden, um ihre brennende Schärfe zu verlieren. Der Manglesbäume an den Küsten haben wir bereits erwähnt. Noch findet man in sandieren Strecken, den Pandang, dessen Frucht der Ananas ähnlich sieht, aber kaum genießbar ist; das orientalische anacardium (Semecarpus ortentalis) und eine Menge kleine Gewächse, Farrnkräuter und Moose.

         Die Untiefen und Klippen, die bey weitem den größten Theil von Neullolland umringen und hauptsächlich in der nördlichen Gegend die Schiffahrt äußerst unsicher machen, sind bekanntlich das Werk kleiner polypenartiger Thierchen, denen man erst seit Peyßonels Untersuchungen das thierische Leben zuerkennt. Man erstaunt über den wunderwürdigen Zellenbau dieser weichen und dem Anschein nach so vergänglichen Geschöpfe. Aus der unergründlichen Tiefe des Meeres, die kein Senkbley erreicht, wachsen Felsenmauren zugleich mit ihren Einwohnern hervor, und breiten ihre Äste immer weiter in allerley Richtungen aus, je näher sie der Meeresfläche kommen. Hier schlägt die brandende Woge unaufhörlich an das lockere Wurmgehäuse, welches gleichwohl ihrer Gewalt widersteht, und innerhalb seiner Gränzen ruhige Häfen bildet. Strecken von mehreren hundert Meilen sind mit diesen Corallenriefen umfingt; und oft erstrecken sie sich so weit ins offene Meer hinein, daß das Auge außerhalb ihrem Bezirk die Küste nicht erreicht. Der beherzteste Seefahrer erschrickt bey ihrem überraschenden Anblick, wenn der herrsehende Seewind sein Schiff darauf zutreibt, und verzagt, wenn vollends eine gänzliche Windstille ihn der Willkühr der Wellen preis giebt, und nur das Brausen der schäumenden Brandung die feyerliche Pause der Natur unterbricht. Der erste Entdecker solcher furchtbaren Felsenwände kämpft gemeiniglich mit zehnfacher Gefahr, und wagt sein Leben für die Sicherheit nachfolgender Schiffer. So mußte Cook, als er an der Küste von Neuholland hinschiffte, seiner Wachsamkeit ungeachtet, auf einen verborgenen Felsen stoßen, der, wäre er nicht im Schiffe stecken geblieben, seinen unvermeidlichen Untergang verursacht hätte. Dem Naturforscher sind inzwischen diese Riefe in aller Absicht merkwürdig; denn nicht nur die Gattungen der Corallen selbst, sind auf mannichfaltige Art verschieden, sondern auf diesen Bänken lagern sich auch die Menge der Conchylien von unzähligen Gattungen, und manche andere Sorten welcher Gewürme. An den Küsten von Neuholland giebt es Austern, Miesmuscheln, große Gienmuscheln, wovon jede für zwey Mann mehr als hinreichend zur Mahlzeit ist, Perlmutterschalen, Hammeraustern, Patellen, Seesterne, Saugeschwämme, Medusenköpfe, Seehasen, nebst allerley anderm Gewürme und Schaalenthieren in unglaublicher Menge. Auf den Schlammbänken an der Bustard-Bay (Trappenbay) in 24 Graden südlicher Breite, es so voll von Perlenaustern daß Cooks eigener Vermuthung zufolge, eine vortheilhafte Perlenfischerey daselbst angelegt werden könnte. Dem Seemanne, dem es freylich gleich viel ist, ob eine seltene Tubipora musica oder ein ganz gewöhnliches Corall seinern Schiffe den Untergang droht, würde die Hoffnung eines reichlichen Gewinnstes Muth und Entschlossenheit einflößen, sich zwischen jene Klippen auf den Perlenfang zu wagen; und bald würde dort jede Sandbank und jede Untiefe so genau bekannt und so leicht vermieden seyn, wie in den persischen und arabischen Meerbusen, an den Küsten von China, in Westindien, und überall, wo der kühne Unternehmungsgeist und die Gewinnsucht oft weit gewagtere Thaten ausführen, und drohenderen Gefahren Trotz bieten.

          Das Meer, welches um Neuholland einen solchen Reichthum von Schnecken und Muscheln besitzt, wimmelt auch von allerley Fischen, Wasserinsekten und Amphibien. Es giebt an den dortigen Küsten die seltensten Krabben und Krebse, darunter sich vorzüglich zwo bisher wenig bekannte Arten, durch ein brennendes Ultramarinblau, und einen völlig wie Porcellan weißglänzenden Unterleib auszeichnen. Die Fische trift man in allen Häfen und Buchten im größten Oberfluß und in beträchtlicher Versehiedenheit der Gattungen an. Selten that Cook einen Netzzug, ohne von funfzig bis zwey hundert Pfund Fische zu fangen. Es giebt deren außer den Meeräschen, den Elephantfischen (Chimaera Callorynchus) den Rochen, Hayfischen, Zungen, F1ändern, Seehähnen, Ährenfischen und andern etwas bekannten, auch eine beträchtliche Menge neuer zuvor noch nie beschriebener Arten. Dahin gehört unter andern auch ein seltsames kleines Fischchen, mit sehr starken Brustflossen, der sich zu Zeiten auf dem Trocknen aufhält, woselbst ihn vermuthlich die Ebbe zurückläßt. Weit entfernt, durch diese Veränderung des Elements entkräftet zu werden, hüpft er hurtig wie ein Frosch von einem Steine zum andern, ohne eben die is stehen gebliebenen Pfützen aufzusuchen. Unter den Rochenarten ist der Stachelroche deswegen merkwürdig, weil sein Stachel den Einwohnern von Neuholland, an einen hö1zernen Schaft befestigt, statt des Wurfspießes dient. Auf den Riefen und Bänken, zumal in der nördlichen Gegend, giebt es eine unglaubliche Menge von den besten grünen Schildkröten (Testudo Mydas), zugleich aber auch eine Art Crocodile, die sowohl die Buchten als die Mündungen der Flüsse besuchen. Am Lande sieht man eine Menge große und kleine Eidechsen und Schlangen von vielerley Gattungen, worunter einige giftige befindlich sind. Ein Heer von Insekten von mannichfaltiger Bildung wohnt in diesen großen Wüsteneyen, wie in den Einöden des heisseren Afrika, und beunruhigt den Wanderer mehr durch seine Menge, als durch andere schädliche Eigenschaften. Indessen giebt es darunter auch Scorpionen, Scolopendern, Mücken und Ameisen, deren Stich oder Biß sehr schmerzhaft ist. Die Ameisen zeichnen sich durch ihre Nester aus, welche bald aus Baumblättern zusammengeleimt, bald in dem Innern der Äste eines gewissen Baumes angebracht sind, dessen Mark sie allenthalben herauszuschaffen wissen, dergestalt, dag man kein Spitzchen abbrechen kann, wo nicht Ameisen herausstürzen, und sich am Störer ihrer Ruhe rächen. Eine dritte Art bewohnt die Wurzel einer Schmarotzerpflanze, die wie unser Mistel an Eichen, aus der Rinde eines dortigen Baumes hervorwächst. Die erste dieser Ameisen ist grasgrün, die beyden letztern sind schwarz. Außer diesen bemerkt man noch die Holzämse (Termes), ein äußerst merkwürdiges Insekt, welches zweyerley Wohnungen, eine an den Ästen der Bäume, die andre in kegelförmiger Gestalt, oft sechs Schuh hoch, unten an der Erde anlegt, und beide durch einen bedeckten Weg verbindet. Schmetterlinge sind an einigen Orten so häufig, daß Cook einst in einem Raume von drey oder vier Morgen Landes auf allen Seiten Millionen in der Luft herumflattern sah, indeß zu gleicher Zeit die Äste und Gewächse voll davon saßen. Auf den Manglesbäumen fand er eine Art von haarigen Raupen, die, wenn man sie berührte, eine Empfindung wie Brennnesseln verursachten. Welch eine Menge der seltensten Käfer, Cicaden, Wanzen, Bienen, Wespen, Fliegen und andrer Insecten aller Art in Neuholland angetroffen werden, dies lehren Herrn Fabricius Novae Species Insectorum, ein Werk, in welchem alle in Herrn Banks Museum befindliche Gattungen verzeichnet sind.

          Die Klasse der Vögel ist nicht minder zahlreich und mannigfaltig. Es giebt daselbst einen schönen weissen Adler, verschiedene Falken, große und kleine Papagayen von ausnehmender Schönheit, sowohl als weisse Cacadus, Tauben, Trappen, Wachteln, Raben, Reyger und Kraniche. Die Tauben fliegen in großen Schaaren beysammen und unterscheiden sich durch einen zierlichen Federschopf auf dem Kopfe. Die Wachteln und Raben sind von den europäischen, wenigstens laut Cooks Bericht, nicht zu unterscheiden. Die See und Wasservögel sind Möwen, Seeraben, Rothgänse, Tölpel, Meerschwalben, Brachhüner, wilde Gänse, Enten, und ungeheuer große Pelicane. Des kleineren Geflügels wird außer einer Art von Ammern nichts besonders erwähnt; doch führt Herr Anderson noch an, daß auf van Diemens Land eine Bachstelze mit himmelblauem Kopf und Halse angetroffen wird. Dort sieht man auch den neuseeländischen schwarzen Austernleser, und einen grauen Regenpfeifer mit schwarzem Kopf.

    In einem Lande von so großem Umfange lassen sich auch vierfüßige Thiere vermuthen; selbst in dem Falle, daß die Entdecker, die sich nur wenige Tage an der Küste aufhielten, deren keine gesehen hätten. Es ließe sich schwerlich begreifen, wie ein Land, welches in jeder Richtung mehr als fünfhundert deutsche Meilen hält, so leer ausgegangen seyn sollte; und noch weniger, warum die etwan vorhandenen Säugthiere sich gerade an den zwey oder drey Puncten der Küste, die von Europäern berührt würden, eingefunden haben sollten, um gleichsam die Musterung auszuhalten? Doch ohne Rücksicht auf dasjenige, was künftige Bewohner von Neuholland dort noch vielleicht entdecken können, wollen wir uns für jezt mit der Anführung desienigen begnügen, was wirklich schon dort entdeckt worden ist. Cook fand daselbst eine Art wilde Katzen, und die Spur eines größereü Thiers, welches nach allen Umständen zu urtheilen, dem Wolfe ähnlich gewesen seyn muß, und auch von mehreren, die es von ferne sahen, dafür gehalten ward. Außer diesem erwähnt er einer Art Stinkthiere, welche von den Wilden Quoll genannt würden. Sie sind auf dem Rücken braun mit weissen Flecken gesprengt, und haben einen weissen Bauch. Die große Fledermaus, welche vermuthlich die Roussette des Herrn von Büffon ist, gehört ebenfalls in das Thierverzeichniß von Neuholland. Endlich findet man daselbst noch zwo Gattungen des Beutelthiers, die eine ist vielleicht der Phalanger des Herrn von Büffon, die andere das Kanguruh, welches bereits (wie der berühmte Camper erinnert) von Cornelys de Bruyn beschrieben worden ist. Letzteres wird beynah so groß als ein Schaaf, und ist an der Länge seiner Hinterbeine kenntlich, auf welchen es mit unglaublicher Schnelligkeit forthüpft, ohne je die kurzen Vorderfüße zum Gange zu gebrauchen. Diese beyden Thiere geben unter andern einen Beweiß für die glückliche Temperatur des Clima von Neuholland, indem sie nicht nur um Endeavour-River, im funfzehnten Grade südlicher Breite, sondern auch auf der äußersten Südspitze von van Diemens Land, um die Adventure-Bay gefunden werden. Das Beutelthier, welches dem Phalanger so ähnlich seyn soll, ist von dem Kanguruh in der Lebensart sehr verschieden, es klettert auf Bäume, und nährt sich zum Theil von Beeren; vielleicht hängt es sich auch zuweilen an die Äste vermittelst seines Schwanzes, wovon ein Drittel unbehaart ist, und zum fassen und umwickeln gemacht zu seyn scheint. Der Hunde erwähnt Capitain Cook als der einzigen zahmen Thiere; allein sie waren in geringer Anzahl und ihrer würden nicht mehr als zween oder drey gesehen, die manchmal die Gezelte der Engländer besuchten, um sich Knochen oder andern weggeworfenen Abgang von Speisen zu holen. Sonderbar genug, daß der Mensch, der hier auf seiner niedrigsten Stufe steht, gleichwohl dieses gesellige, treue Thier zu seinem Begleiter hat! Laßt uns sehen, ob es glaublich sey, daß seine Vernunft ihn lehrte, diesen Freund unter den Geschöpfen der Erde zu wählen; oder ob nicht vielmehr gegenseitiges Bedürfniß und blinder Trieb sie zusammengeführt haben mag?

          Unter allen Raçen, welche auf den Menschennamen Anspruch machen, ist diejenige, welche Neuholland bewohnt, die armseligste. Sie lebt ohne Ackerbau, ohne Kleidung, ohne Wohnung. Nie sah man mehr als funfzehn streitbare Männer beysammen, selbst in Fällen, wo sie offenbar gesonnen waren die Europäer anzugreifen, und folglich ihre ganze Macht aufgeboten hatten. Fische und Schaalgewürme sind ihre Hauptnahrung; höchstens, wenn das Glück sie sehr begünstigt, verzehren sie ein Kanguruh, einen Vogel, eine Schildkröte, und zuweilen eine wilde Yamswurzel oder eine Handvoll Beeren aus dem Walde. Sie dürfen mithin die Seeküste schlechterdings nicht verlassen, und sowohl ihre geringe Anzahl, als der gänzliche Mangel an Cultur beweiset offenbar einen späten Anfang der Bevölkerung. Demungeachtet findet man bereits dieselben Menschen an den östlichen und westlichen Küsten, an der Nordspitze von Neuholland, wie im südlichsten Van‑Diemens‑Land. Der Mangel an Nahrungsmitteln mußte vermuthlich diese Elenden zerstreuen, die es nicht zu wissen scheinen, daß sie durch ihre Vereinigung diesem Mangel abhelfen könnten. Alles bisher gesagte ist hinreichend, um darzuthun, daß das Innere des Landes gänzlich unbewohnt seyn müsse. Ein Volk, welches vom Ackerbau lebte, würde doch an den Küsten nicht ganz unbekannt geblieben seyn, da eine Art der Industrie so leicht die andere erzeugt; oder es müßte auf einen engen Bezirk eingeschränkt, von geringer Volksmenge, weit entfernt von allen Nachbaren, und gänzlich unerkannt seine Felder bauen, ohne je sich dem Meere nähern zu wollen.

   Die Wilden an der Seeküste sind von mittler Größe, wohlproportionirt und stark, allein nicht besonders lebhaft, und wie alle Wilde unthätig und träge. Alle Nachrichten stimmen darin überein, daß ihr Haar so kraus und wollartig wie beym Neger in Guinea, und ihre Haut schwarz, wenigstens schwarzbraun und mit einer Rinde von schwarzer Unsauberkeit, wahrscheinlich von gefärbter Ausdünstung bedeckt ist. Ihre Gesichtsbildung hat indessen nicht das Widrige des Mohren. Sie haben starke Lippen, aber ihre Kinnladen stehen nicht wie beym Neger hervor, um sie noch häßlicher aufzuwerfen, und aus demselben Grunde ist ihre Nase auch nicht platt oder gleichsam eingedrückt. Ihre Zähne sind unrein, aber ziemlich eben; doch bemerkte Dampier an der Westküste, daß sie sich dort zween Vorderzähne des Oberkiefers auszureißen pflegten, welches gegen Osten nicht geschehen soll. Überhaupt scheint dieser Seefahrer auf eine Famille gestoßen zu seyn, die vor andern schwächlich und elend war. Das Kinn der Männer war unbärtig, und ihre Augenlieder stets halb geschlossen, um sich der Fliegenschwärme zu erwehren, die von ihrem Schmutz vermuthlich in größerer Menge herbeygelockt würden. Jene hingegen, die Cook an der Ostküste beschreibt, tragen starke Bärte, die aber, wie ihr Haupthaar, mit Fett und Unflath dermaßen zusammengeklebt sind, daß sie aus lauter kleinen Zotteln, wie ein unreines Schaafvlies, bestehen. Die Weiber scheeren das Haar kurz ab, und lassen nur rund um den Kopf ein schmales Rändchen stehen. Beide Geschlechter schneiden sich lange verschiedentlich gekrümmte Zeichen in die Arme und auf dem Leibe, welche eine erhabene Nath oder Narbe bilden, und vielleicht Zierrathen vorstellen sollen. Zum Beweise, daß der Trieb sich zu schmucken beym Menschen früher da ist, als das Gefühl der Sittlichkeit, durchbohren sich diese übrigens ganz nackend einhergehenden Wilden den Nasenknorpel, und stecken ein langes Stiffichen durch die Offnung, malen sich mit rother Ocher, oder auch mit weissen Streifen, die gleichsam wie ein Ordensband aber die Schulter und schräg Über den ganzen Leib gehen, auch zu­weilen fibers Kreuz von andern Streifen durchschnitten werden, und tragen Halsbänder von gereihten Muschelschaalen, Armspangen von kleinen Schnüren, und eine Schnur von Menschenhaaren um den Unterleib. In Van‑Diemens‑Land hatten einige Weiber einen Lappen des Kangurufells, den sie wie einen Sack um den Hals und um den Leib banden, um ihre Kinder darin auf dem Rücken zu tragen; allein an eine Bedeckung, welche die Schamhaftigkeit nach unsern Begriffen erheischt, war schlechterdings bey ihnen nicht zu denken.

          Diese Menschen ohne bleibende Stätte, ohne Eigenthum, ohne Hausrath, die nichts zu verlieren und nichts zu vertheidigen haben, die ohne Sorge für den morgenden Tag, sich einzig und allein vom Bedürfnisse des gegenwärtigen Augenblicks regieren und bestimmen lassen, diese so einzeln zerstreute Wilden, fühlen gleichwohl eher, daß sie einander im Wege stehen, als daß sie gemacht sind, einander ihre Last zu erleichtern. Ihre Industrie reicht nicht dahin, sich das Leben zu versüßen, und die Annehmlichkeiten vervielfältigter Eindrücke zu verschaffen; sondern sie giebt ihnen nur Waffen in die Hand, womit sie theils den Nachbar von ihrem fischreichen Gestade vertreiben, theils seine Streiche abwehren können. Freylich ist auch diese feindselige, vereinzelnde Gemüthsart am Ende ein Weg zur Cultur; wie denn alle Anlagen im Menschen, die noch so widersinnig scheinen, dahin auslaufen, ihn unvermuthet zur Besonnenheit, zur Oberlegung mit Bewußtseyn, und folglich zur Geselligkeit zu führen. Allein wie langsam muß nicht dieses Mittel in einem Lande wirken, wo die Bevölkerung so unbeträchtlich ist? Jahrtausende könnten noch verfließen, ehe ein Stamm vom andern dergestalt in die Enge getrieben würde, daß er entweder seine Freyheit seiner Sicherheit aufopfern, und ein neues Verhältniß gegen seinen Überwinder annehmen, oder irgend ein eßbares Pflanzenproduct aufsuchen, und fern von seinen Verfolgern, im Innern des Landes von dessen Anbau seinen Unterhalt nehmen müßte.

          Die Waffen, deren wir vorhin erwähntern, sind acht bis vierzehn Schuh lange Spieße von Rohr, mit einer oder mehreren daran befestigten Spitzen von schwerem Holze, von Fischgräten, vom Stachel des Stechrochen, mit Widerhaken oder Stücken scharfschneidender Muschelschaalen besetzt. Diese Spieße werfen sie entweder aus freyer Hand, oder vermittelst eines Wurfstocks, in welchem der Schaft des Spießes in einer Rinne oder Fuge liegt. Zur Schutzwehr bedienen sie sich eines länglichen drey Schuh langen und achtzehn Zoll breiten Schildes von Baumfinde. Der Schildkrötenfang erfordert ein eigenes Werkzeug, welches zur Noth auch zur Vertheidigung dienen könnte. Es ist ein hölzerner Nagel, der ohngefehr einen Füß lang und mit starken Widerhacken besetzt ist. Dieser paßt in einen dicken Stab von leichtem Holze, in dessen eines Ende er in eine Vertiefung eingelassen ist. Eine drey bis vier Klafter lange Schnur verbindet beyde Theile so, daß ein Ende an den Nagel, das andere an den Stock befestigt ist. Sobald nun das Thier getroffen ist, bleibt der Nagel im Fleische stecken, der Stock aber fährt davon zurück, und hängt nur noch an der Schnur, dergestalt, daß er zu einer Schwimmenden Anzeige dient, wodurch man der Schildkröte nachspüren, und sie zugleich ermüden kann. In einem aus Garn geknüpften Sack, tragen sie Angelhacken von Muschelschalen, welche ziemlich sauber gearbeitet sind; imgleichen rothe und weisse Schminke, und ihren gewöhnlichen Putz; auch wohl einige Spitzen zu Wurfspießen, und ein paar Stückchen Harz, womit sie diese Spitzen zu bekleistern pliegen. Ihre HoIzarbeiten glätten sie mit den rauhen Blättern eines wilden Feigenbaumes. An den Plätzen, wo sie sich aufzuhalten pflegten, fand man eine Art von Eimer, aus Baumrinde gemacht, womit sie vermuthlich Wasser schöpfen, und es von einern Orte zum andern tragen. Auch ihre Kähne sind von Baumrinde gemacht, und nur gegen Norden hin bemerkte man ein paar, die aus hohlen Bäumen bestunden. Ein hohler Baum, der aber noch aufrecht steht und grünt, ist ihr bequemster Aufenthalt. Sie hölen ihn durch Feuer bis auf sieben oder acht Schuh von der Erde aus, und machen inwendig einen Heerd von Thon, um welchen sich, wenn der Baum groß genug ist, vier bis fünf Personen niederkauern können. Außer diesem von der Natur bereiteten Obdach, verdient es kaum einer Erwähnung, daß man hie und dort entlangs dem Strande einige elende zusammen verbundene Stöcke mit Baumrinde, oder Palmblättern gedeckt gefunden hat, an welche man ungern den Namen einer Hütte verschwendet. Ihre Speisen pflegen sie auf Kohlen zu rösten, oder in Löchern, die mit geheizten Steinen ausgelegt werden, zu backen. Das Feuer wird durchs Reiben angemacht; eine Erfindung, die, wenn sonst irgend etwas, einen Prometheus vorauszusetzen scheint, der sie den Göttern ablernen muß. Doch in dem brennenden Clima von Neuholland war diese Entdeckung leicht durch irgend einen Zufall gemacht.

                  Man hat zu wenig Gelegenheit gehabt, mit diesem Volke umzugehen, um etwas bestimmtes, über seinen Character, seine Gebräuche und seine etwanigen rohen Begriffe liefern zu können. Schüchternheit war der allgemeine Zug, den die Europäer an den Neuhollandern mit einer gewissen Gutmütligkeit verbunden bemerkten. Nur an einem einzigen Orte, in Botany-Bay, wagten es ihrer zween, sich der Landung der Fremdlinge zu widersetzen, und hatten Muth genug, das Feuer der Schießgewehre auszuhalten, bis sie mit Schroot schmerzhaft verwundet wurden. Auf Cooks letzter Reise schien es den Männern zu mißfallen, daß einige Matrosen ihren Weibern allerley Zumuthungen thaten; sie kennen also das Gefühl der Eifersucht. Nichts von allem, was man ihnen anbot oder schenkte, war vermagend ihre Aufmerksamkeit zu erregen; nichts erhielt ihren besondern Beyfall, und noch weniger ihre Bewunderung. Ihre Sprache, welche übrigens nicht sehr rauh zu seyn scheint, hat dennoch einen Ausdruck des Erstaunens, der aber vielleicht allemal einen gewissen Grad von Schrekken voraussetzt. Die wenigen Wörter, welche man uns davon aufbehalten hat, scheinen keine Ähnlichkeit mit irgend einer bekannten Mundart zu haben; ein Umstand, der alle Nachspürungen über den Ursprung dieser Wilden vereitelt. Ihre schwarze Farbe, und ihr krauses Wollhaar deuten indessen auf eine gewisse Verwandtschaft mit den Einwohnern einiger nahgelegenen Inselgruppen, z. B. der neuen Hebriden, der Charlotteninseln, und der Papuasinseln, worunter Neuguinea, Neubritannien und Neuirrland begriffen sind. Der große Unterschied in der Lebensart dieser Inselbewohner rührt ohnstreitig von der Beschaffenheit ihrer Wohnorte her, die mit allerley eßbaren Früchten und Wurzeln reichlich versehen sind, und nicht so fischreiche Küsten haben. Mistrauen, Eifersucht und Mangel an Cultur sind hingegen Eigenschaften, welche sie mit den Neuhollandern gemeinschaftlich besitzen. Nichtsdestoweniger dürfte es schwer halten, selbst in der Voraussetzting, daß sie Eines Ursprungs wären, auf eine befriedigende Art darzuthun, welche von beyden, die Neuholländer oder die Inselbewohner, das Urvolk, und welche die abgeleiteten Colonien sind. Ein dritter Fall ist noch möglich; beyde können verschiedene Sprößlinge eines andern gemeinschaftlichen Stammes seyn.

          Wie dem auch sey, so bleibt es wenigstens außer Zweifel, daß eine Handvoll Einwohner, auf einem Lande von so großem Umfange zerstreut, bey der Anlegung eines europäischen Pflanzorts in keine Betrachtung kommen, und der Colonie so wenig gefährlich sind, als diese vorerst sie selbst beeinträchtigen kann. Wie leicht finden vierzig oder funfzig Menschen, die in der Gegend, wo die Niederlassung geschehen soll, herumirren, einen andern, zu ihrer Absicht eben so bequemen Aufenthalt! Und wer kann wissen, welch einen glücklichen Einfluß das Beyspiel der europäischen Ansiedler selbst auf diese ungebildeten, aber gleichwohl nicht barbarischen Eingebohrnen so haben kann? Ihr Fischergeräthe, so geringfügig es immer ist, ihre Schnüre, ihre Waffen sind Beweise von Geschicklichkeit und Fähigkeit, die vielleicht nur hervorgerufen und zweckmäßig geleitet seyn will. Ihnen fehlte vielleicht nur ein wohlthätiger Triptolem, der sie mit einer nährenden Pflanze beschenkte! Doch diesen Zweck beyseite, kann die Besitznehmung von Neuholland noch mehrere wichtige Folgen nach sich ziehn. Der Ort, den man zur ersten englischen Niederlassung daselbst gewählt hat, die von Cook, wegen ihres Pflanzenreichthums so benannte Botany-Bay, hat vor allen bisher an jener Küste bekannt gewordenen Häven die vortheilhafteste Lage, das angenehmste Klima und das ergiebigste Erdreich. Sie liegt in der südlichen Breite von 34 Graden, und in 151 Graden 23 Minuten östslicher Länge von Greenwich; ist geräumig, sicher und bequem, hat einen Bach mit frischem Wasser an der nördlichen Seite, wo ein Schiff völlig vom Lande gedeckt vor Anker liegen, und seinen Holz- und Wasservorrath ganz bequem einnehmen kann. Das Land ist daselbst von sehr mäßiger Höhe, das Erdreich leicht, und die Bäume so weit von einander aufgewachsen, daß die ganze Gegend, ausgenommen einige sumpfichte Stellen, urbar gemacht werden könnte, ohne daß man nöthig hätte, einen einzigen Baum deshalb umzuhauen. Alle die vorhin aufgezählten Landesproducte sind daselbst im Oberfluß, und die ganze Bevölkerung beläulft sich nicht auf mehr als dreyßig oder vierzig Personen mit Inbegriff der Weiber und Kinder. Hieher bestimint die Brittische Regierung inskünftige diejenigen Verbrecher, über welche das Verbannungsurtheil, wegen verübter Diebstähle, Räubereyen, Verfälschungen u.d.gl. ausgesprochen worden ist. Ehedem wurden diese Züchtlinge auf Zeitlebens, auf vierzehn, sieben oder auch nur drey Jahre nach Nordamerica transportirt; und da der Krieg mit jehen Colonien dieses Verfahren in der Folge verhinderte, pflegte man sie geschlossen in großen flachen Fahrzeugen auf der Themse arbeiten zu lassen, um die Untiefen aus diesem Flusse fortzuschaffen. Allein der Unterhalt einer so beträchtlichen Menge von Menschen, mußte mit der Zeit dem Publicum eine unerträgliche Last aufbürden, zumal da sich in den letztern Jahren die Anzahl dieses Gesindels in einem steigenden Verhältnisse vermehrte. Man sahe sich demnach genöthigt, zu der längst gewohnten Methode der Transportation zurückzukehren, und faßte den Entschluß mit diesen Gefangenen und den unglücklichen Opfern der Wollust, welche die Straßen der großen Hauptstadt schänden, ein fernes Land zu bevölkern. Commodore Philipps führt die Flotte, welche zum Transport bestimmt ist; und ihm, als Gouverneur der neuen Colonie, hat man zugleich die ganze Einrichtung derselben anvertraut. Die Nähe von Neuseeland; die daselbst so häufig wachsende vortrefliche Flachspflanze (Phormium); das dortige unvergleichliche Schiffsbauholz; die Perlenausterbank weiter hinabwärts an der Küste von Neuholland, und vielleicht die Ausfuhr einiger noch zu entdeckender Landesprodukte, oder des Ertrags der anzulegenden Pflanzungen nach Indien und selbst nach Europa, sind gleichsam die ersten Aussichten, welche diese merkwürdige Anstalt für die Zukunft darbietet. Es kommt vielleicht alles auf den Blick des Weisen an, der den Stoff zu großen Unternehmungen selbst im rohen und verderbten Menschen entdecken, der Gelegenheit wahrnehmen, die Funken der Thätigkeit hervorlocken, sie sammlen und in einen Punkt vereinigen, mit einem Worte, Menschen bilden und vollenden kann.

 

[1]        Zuerst in Allgemeines historisches Taschenbuch: oder Abriss der merkwürdigsten neuen Welt-Begebenheiten für 1787, Berlin, 1787.

[2]        Marcus Tullius Cicero, Rhetorici libro duo qui vocantur de inventione. Liber primus, 1,2: "A certain great and wise man knew what unworked potential was in the minds of men, and of how it could be put to the greatest purposes if someone could draw it out and by instruction improve it." The rest of the passage makes clear what was in Cicero's mind, and why Forster considered it an appropriate epigraph: Qui dispersos homines in agros at in tectis silvestribus abditos, ratione quadam compulit unum in locum et congregavit et eos in unam quamque rem inducens utilem atque honestam; primo propter insolentiam reclamantes, deinde propter rationem atque orationem studiosus audientes ex feris et immanibus mites reddidit et mansuetos [Men were scattered in the fields and hidden in huts in the woods when he made them come together in one place, and in accordance with a plan he introduced them to every useful and honest occupation; and although at first they cried out against it because they were not used to it, afterwards they listened carefully to his reasoning and persuasion, and he had transformed them from wild savages into mild and civilized people]. - Robert King

 

Updated: June 13, 2018